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Marketing mit Maß und Göckele – 80 Jahre Stuttgarter Frühlingsfest

8. Mai 2018 | 19:00 Uhr | Maiers Loge, Festzelt Göckelesmaier, Cannstatter Wasen

Marketing mit Maß und Göckele – 80 Jahre Stuttgarter Frühlingsfest

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18:00 Uhr Get-together | 19:00 Uhr Beginn

ALLES BEGANN AUF SUMBAWA

Als 1815 der Vulkan Tambora auf der 13.000 km entfernten Insel Sumbawa in Indonesien ausbrach, ahnte noch keiner, welch kulturelles Großevent, welch einzigartig gewürzte Göckele und welch trendige Trachtenmode sich daraus im Ländle entwickeln würden.

Erstmals gefeiert wurde das Cannstatter Volksfest im Jahre 1818, gedacht als „jährlich am 28. September zu Kannstadt abzuhaltendes landwirtschaftliches Fest“. Der Grund dafür war bizarr. Denn die heftige Detonation des indonesischen Vulkans drei Jahre zuvor produzierte eine so riesige Staubwolke, dass daraus eine extreme Klimaveränderung auf dem europäischen Kontinent resultierte und eine ungeahnte Naturkatastrophe ihren Lauf nahm, die Missernten, Hungersnöte und Seuchen im ganzen Land zur Folge hatte. König Wilhelm handelte überlegt und gründete 1816 einen landwirtschaftlichen Verband sowie eine Agraruniversität, bekannt als Universität Hohenheim, um schließlich auf einer Art Landwirtschaftsmesse in Stuttgart Waren zu tauschen und die Wirtschaft sowie die Produktivität in seinem Reich wieder anzukurbeln. Die erste Messe fand 1818 auf einem 35 Hektar großen Gelände am Ufer des Neckars im Stuttgarter Stadtbezirk Bad Cannstatt statt – das Cannstatter Volksfest entstand und etablierte sich im 21. Jahrhundert zu einem der größten Volksfeste Europas.

Wer heute nach 100 Jahren das „Feschtle“ besucht, wird wahrscheinlich ab einer bestimmten Uhrzeit ebenfalls von gewissen Hungersnöten geplagt sein und dabei ein Dirndl oder eine Lederhose tragen, die traditionell als bayrische Tracht bezeichnet werden. Ihren Ursprung findet diese (kurzer Exkurs) in der Miesbacher Gebirgstracht aus der Münchner Umgebung, die sich um 1900 herum mit dem Aufkommen der Trachtenvereine entwickelt und verbreitet hat. Auch die schwäbisch-württembergische Tracht wurde von bayrischen Arbeitern beeinflusst, die nach Württemberg ausgewandert waren. Doch nun weiter im Takt und hin zu einem noch wichtigeren Thema: der Einführung eines schwäbischwürttembergischen Brathändls oder, besser gesagt, eines Bratgöckeles, denn Tracht war Karl Maier, unserem folgenden Protagonisten, Anfang des 20. Jahrhunderts noch relativ egal.

Es ist Anfang Mai 2018, ein lauer Frühlingsabend durchströmt das Cannstatter Frühlingsfest. Wir vom Marketing Club Region Stuttgart-Heilbronn treffen im Göckelesmaier zusammen und lauschen gespannt der Geschichte des Geschäftsführers über die Entstehung eines der größten Festzelt-Unternehmen in Baden-Württemberg und somit der Geschichte über seinen eigenen Vater – Karl Maier.

Dieser Karl Maier hatte anfangs Bäcker gelernt, war aber eines Tages des Brezeln-Formens überdrüssig. Er kündigte, baute sich einen Eiswagen und reiste von 1928 an als Eisverkäufer durch die Gegend. Drei Jahre später bot er als Maiers Karle Bratwürste vom Holzkohlegrill an. 1932 kam er erstmals auf den Wasen. „Gegessen und getrunken wird immer“, war sein Motto. Doch er wollte die Schwaben auf einen neuen Geschmack bringen. Auf dem Oktoberfest in München aßen die Bayern schon seit längerer Zeit Brathähnchen. Maier wollte diesen Brauch nach Bad Cannstatt importieren. Er lernte alles über diese kulinarische Köstlichkeit, eröffnete 1938 die erste Hähnchenbraterei auf dem Wasen, ließ einen speziellen Grill bauen und entwickelte eine Würzmischung, die bis heute nur Vertraute kennen. Nach dem Krieg zimmerte er auf dem Wasen eine Festhalle zusammen. Unter dem Motto „Göckele, Wurst und Bier, beim Maiers Karle schmeckt es dir“, ist er der erste Festwirt, der auf dem Volksfest etwas Neues wagt. Es ging wirtschaftlich bergauf. „Göckelesmaier“ wurde er alsbald von Teilnehmern eines Unternehmerstammtisches genannt als Unterscheidung von den vier anderen anwesenden Maiers, Meiers oder Meyers. Kurze Zeit später organisierte er weitere Volksfeste in Tübingen, Ulm und Heilbronn. Das Geschäft florierte. 1957 heiratete Karl Maier dann seine Josefine, die das Geschäft gut kannte, denn sie war als Buchhalterin in einem Zelt auf dem Oktoberfest für die Lohnabrechnung zuständig. 1973 verstarb Karl Maier im Alter von 73 Jahren, und Josefine Maier stand mit ihrem sechs Jahre alten Sohn Karl junior sowie dem Betrieb alleine da – ein schweres Erbe. Viele Feste hatte Göckelesmaier bis dahin als Veranstalter organisiert. Jetzt kommt eine Frau und muss in einer von Männern dominierten Welt mit anderen Schaustellern verhandeln – herausfordernd. Dennoch restrukturierte sie den Betrieb, baute ein kleines Zelt und reiste fortan mit eigenen Angestellten. Das Ziel: das Unternehmen für ihren Sohn zu erhalten.

1998 übernimmt Sohn Karl, der in Bayreuth Betriebswirtschaft studierte, das Geschäft – denn Name und Tradition verpflichten. Gemeinsam mit seiner Frau Daniela führt er den elterlichen Betrieb in ein neues Zeitalter – mit Erfolg. Von einem bekannten Architekten lässt er sich ein neues, 4.000 Gäste fassendes Festzelt entwerfen. Darin befindet sich auch eine Loge, in der es für etwas mehr Geld mehr gibt als nur Göckele. Doch trotz Lachstatar und Schaumwein hebt Karl nicht ab und vernachlässigt seine anderen Gäste nicht. Auch die Digitalisierung hält Einzug in die neuen Räumlichkeiten. So kann Karl Maier beispielsweise per Handy-App unterschiedliche Lichtstimmungen im Zelt steuern, um den Gästen die Atmosphäre so angenehm wie möglich zu gestalten. Zeitgleich wird der Prozess der Sitzplatzreservierungen für das Zelt überarbeitet. Man bestellt nun bequem online, und diese technische Möglichkeit findet Anklang im Zeitalter der mobilen Endgeräte. Über die digitale Buchungsplattform „Mitfeierzentrale“ sind binnen einer Stunde nach Freischaltung sämtliche Samstagabende für „Cannstatter Wasen“ oder das „Frühlingsfest“ restlos ausgebucht. Und sollte doch mal eine Bank leer sein im Zelt, reagiert das Marketing systematisch. Mit gezieltem Social-Media-Marketing und CRM-basiertem Newsletteraussand finden sich schnell neue Abnehmer: zeitgemäßes und gekonntes Real-Time-Marketing.

Die Zukunft zieht ein beim Platzhirsch auf dem größten Volksfest Europas mit seinen knapp 250 Schaustellern, vier Millionen Besuchern und dem Energieverbrauch einer Kleinstadt. Göckelesmaier steht für Fortschritt in seiner Zunft, aber auch für Wahrung der Tradition. Ob Trachtenmode jedoch verpfl ichtend wird, bleibt abzuwarten. Aber irgendwie gehört sie schon zum Cannstatter Volkfest – im Göckelesmaier jedenfalls seien Dirndl und Lederhosen immer gern gesehen.

Text: Voker Scheuba

Referent:
Karl J. Maier, Festwirt

Moderator:
Bernhard Grieb, Berater ClusterAgentur Baden-Württemberg